Irisches Tagebuch – Teil 3 – Gougane Barra, die Insel des Einsiedlers

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Dienstag 26.5.15

Gougane Barra ist das Kontrastprogramm zu der archaischen Landschaft von Gleninchiquin und den Steinkreisen. Die ehemalige Einsiedelei liegt sehr abgelegen, nur von Wald umgeben, auf einer Insel im Lough Ghugain in den Bergen von Westcork und ist auf den ersten Blick ein christlich geprägter Ort.

Ebenfalls in diesem See befindet sich die Quelle des Flusses Lee, der das County Cork von West nach Ost durchfließt und bei Cork ins Meer mündet. Der Patron von Cork, der Heilige Finbarr, soll hier im 6.Jahrhundert eine Klause gebaut und gelebt haben, bevor er sein Kloster an der Mündung des Lee gründete, das viele Schüler aus nah und fern anzog und aus dem letztendlich die Stadt Cork entstand. Die Insel ist heute durch einen Damm mit dem Festland verbunden.

1700 flüchtete der Priester Denis O’Mahony auf die Insel. Während der Penal Laws, der Unterdrückung der irischen Kultur und des Katholizismus unter der Herrschaft der Briten, wurden hier im Geheimen viele römisch-katholische Messen zelebriert.

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Auf der Insel findet man eine kleine Kirche und einen offenen viereckigen Bau ohne Dach, der aus einer dicken Steinmauer mit 8 größeren Nischen besteht. St.Finbarr soll mit einigen Anhängern in diesen künstlichen Höhlen gelebt haben. In der Mitte eine viereckige pyramidenartige Erhebung mit Steinstufen auf der ein großes Kreuz platziert ist. Ein ungewöhnliches Bauwerk, was ich so noch nie zuvor gesehen habe. Vor dem Eingang stehen wunderschöne, riesige alte Bäume. Ich trete ein und lasse mich schließlich auf den Steinstufen in der Mitte nieder, versuche die Qualitäten des Ortes zu erspüren. Innerhalb dieser Mauern ist man wirklich sehr weit weg vom Getriebe der Welt. Eine ähnliche Atmosphäre habe ich innerhalb der Heidenmauer und besonders im Klostergarten des Klosters Ste.Odile im Elsass erlebt. Eine bestimmte Art der Stille und des der Welt entrückt seins. Ein idealer Ort für Meditation. Ich spüre ein starke senkrechte Achse, die Himmel und Erde verbindet, fühle mich herausgehoben aus meinem Körper und meinem alltäglichen Leben. Kann die Dinge von außen, von einer höheren Warte aus betrachten. Würde ich hier länger sitzen und meditieren, könnte ich Stück für Stück, die wichtigen Episoden meines Lebensfilms ablaufen lassen und meine offenen Zyklen schließen – aus diesem und auch aus anderen Leben. Ich könnte all meine Spiele anschauen, auswerten und beenden – um am Ende vollkommen frei zu sein. Eine durchaus verlockende Vision. Ein Platz um, mit der notwendigen Hingabe und Arbeit, letztendlich frei zu werden von allem Karma, um dann weiterzugehen in die nächste Dimension von Spiel…

Interessant auch die Idee von Franca, alle 8 Nischen zu besetzen und dann gemeinsam zu meditieren. Spannend, was wohl dabei geschehen würde…leider sind wir aber nicht so viele und können es zumindest heute nicht ausprobieren.

Mit Sicherheit hat der Ort eine alte Tradition und wurde bereits von vorchristlichen Kulturen genutzt. Hier könnte man durchaus noch einige Zeit verbringen um weitere Forschungen anzustellen…

Der Landschaftsgenius

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Außerhalb des Bauwerks liegt am Ufer des Sees ein kleiner Hain mit knorrigen, alten Büschen und Bäumen. Von einem von ihnen wurde mein Mann Peter angezogen. Als er näher kam, entdeckte er, dass der Baum voller Münzen steckte. Menschen hatten in die Rillen seiner Rinde Münzen gesteckt und diese waren im Laufe der Zeit eingewachsen. Der Baum ist tatsächlich der Sitz Landschaftsgenius, des Naturwesens, das für die Insel den See und die umliegenden Berge verantwortlich ist. Hier ist das energetische Zentrum des Landschaftsraums von Gougane Barra. Außer uns scheinen das auch andere gespürt zu haben, obwohl ein Baum voller Münzen doch recht ungewöhnlich ist. Ich kenne den Brauch bisher nur von Brunnen und Quellen. Als mir mein Mann den Baum zeigte, fiel mir sogleich ein zweiter auf – oder besser eine zweite, die in direkter Nachbarschaft stand. Der Stamm der Esche hatte die Form eines Frauenkörpers, der mit überkreuzten Beinen tänzerisch die Arme gegen Himmel streckt, den Kopf zurückgeworfen und die Brüste keck dem Licht zugewendet. Der Landschaftsgenius hat also wohl auch eine Gefährtin 🙂 …

Am Ort des Landschaftsgenius geht die Energie, im Gegensatz zu innerhalb der Einsiedelei, eher in die Horizontale. Generell scheint Gougane Barra ein Ort zu sein an dem sich die Polaritäten verbinden, die Gegensätze miteinander tanzen und so einen Ausgleich finden können. Ein Ort an dem die Polaritäten in der Auflösung des Alten einen Abschluss finden und gleichzeitig ihre Vereinigung die Grundlage für Schöpfung und Neuwerdung ist. Man findet dieses Thema hier auf verschiedenen Ebenen wieder: Die Verbindung von Land und Wasser, fest und flüssig, Berg und Tal, die senkrechte und horizontale Achse an den beiden markanten Plätzen der Einsiedelei und des Landschaftsgenius und nicht zuletzt der Landschaftsgenius, der sich gleichzeitig in einer männlichen und weiblichen Form zeigt.

Als wir uns vor der kleinen Kirche schließlich wieder sammeln, haben wir alle das Gefühl dem Geist des Ortes ein Geschenk dalassen zu wollen. Leider hat niemand etwas Passendes dabei, aber glücklicherweise gibt es ein paar Raucher und so greifen wir auf den alten indianischen Brauch zurück etwas Tabak zu opfern. Nachdem ich die Gabe im Namen aller überbracht habe, verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg in den Tea Room am Seeufer zu Tee und Scones.

Nachdem wir uns gestärkt haben, wollen wir noch den kleinen Naturpark etwas oberhalb des Sees erkunden. Hier gibt es auch einen, der in Irland seltenen Wälder entlang eines kleinen Flüsschens. Leider müssen wir feststellen, dass ein Pilz einen Großteil des schönen Waldes vernichtet hat. Wahrscheinlich mit eine Folge der verfehlten Aufforstungspolitik der irischen Regierung seit der Unabhängigkeit. Unter der Herrschaft der Engländer wurde ein Großteil des alten irischen Eichenwaldes für den Bau der englischen Kriegsflotte abgeholzt. Um der starken Erosion der in Irland meist sowieso dünnen Erdschicht durch Wasser und Wind entgegenzuwirken, wurden Anfang vergangenen Jahrhunderts viele Aufforstungsprojekte gestartet. Man hatte damals vor allem schnell wachsende Nadelbäume angesiedelt, die nun vor allem von dem Pilz befallen wurden. Inzwischen ist man klüger und besinnt sich auf die traditionellen Mischwälder aus Eiche, Birke und Esche. Seit der Finanzkrise, die Irland besonders hart traf, liegt aber auch das leider weitgehend brach.

So zogen wir dann weiter und beschlossen noch einen Steinkreis in der Nähe zu besuchen.

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