Mikro-RNA – Der Geheimcode der Pflanzen

frauenmantel

Wie und warum wirken Heilpflanzen? In der modernen Phytotherapie geht man heute davon aus, dass es vor allem bestimmte Inhaltsstoffe sind, die für die Heilwirkung verantwortlich sind, die sogenanntn bioaktiven Substanzen. Gerbstoffe wirken zum Beispiel adstringierend, blutstillend, entzündungshemmend, Saponine sekretionsanregend, auswurffördernd und schleimlösend, Salicylate schmerzlindernd, entzündungshemmend und fiebersenkend. Das mag schon stimmen und doch bleiben oft und vor allem bei traditionell angewandten Heilpflanzen, viele Fragen offen und man kann die erfahrungsheilkundlich über viele Jahrhunderte, zum Teil Jahrtausende bestätigte Wirkung keinem der bekannten Inhaltsstoffe zuordnen. In diesem Fall weicht man dann gerne auf das Erklärungsmodell des Wirkstoffgemischs aus, doch die Forschungen der Universität Nanjing schlagen hier nochmals ein ganz neues, spannendes Kapitel in der Erforschung der Wirkung von Heilpflanzen auf!

Neue Wirkmechanismen von Heilpflanzen

Seit mehr als 2000 Jahren werden Heilpflanzen in der Traditionellen chinesischen Medizin mit großem Erfolg verwendet und inzwischen wird diese alte Erfahrungsheilkunde mit staatlicher Unterstützung auch wissenschaftlich erforscht.

2011 nun machte das Forscherteam um Prof. Chen Yu Zhang an der Universität Nanjing eine sensationelle Entdeckung: sie konnten den Nachweis pflanzlicher RNA chinesischer Grippemittel im Blut erbringen und so deren Wirkmechanismus erklären. Damit haben die Forscher etwas gefunden, was dort eigentlich gar nicht sein dürfte. Nach bisheriger Auffassung sollte das Erbut der Pflanzen, die wir zu uns nehmen und zu dem auch diese RNA gehört durch unsere Verdauungssäfte in Magen und Darm komplett zerstört werden. Diese Auffassung muss wohl revidiert werden und wird weitreichdende Auswirkungen auf die gesamte Medizin bis hin zur Gentechnik haben.

Die DNA macht nur etwa 1,5 % unseres Erbguts aus, der Rest besteht aus der sogenannten RNA. Die RNA besorgt das Ablesen des Erbguts und dessen Umsetzung in Proteine. Besonders kurze RNA Sequenzen, die Mikro-RNA sind vor allem dafür verantwortlich bestimmte Gene an- oder abzuschalten. Genau diese Mikro-RNA der chinesischen Grippemittel fanden die Forscher aus Nanjing im Blut und sie sind in der Lage das Erbgut vieler verschiedener Grippeviren abzuschalten und ihre Proteinsynthese zu blockieren. Mikro-RNA zirkuliert aber nicht nur im Blut, sondern in allen Körperflüssigkeiten, eine weitere bahnbrechende Entdeckung.

Du bist, was du isst

Doch damit nicht genug. Nicht nur die Mikro-RNA von Heilpflanzen, sondern auch diejenige von Gemüse und Getreidepflanzen, die wir täglich zu uns nehmen wurde gefunden – und auch diese hat die Fähigkeit Gensequenzen an- beziehungsweise abzuschalten.  So beeinflusst zum Beispiel die Mikro-RNA des chinesischen Reises die DNA der Leberzellen, blockiert ein Enzym, welches LDL Cholesterin abbaut und der Cholesterinspiegel steigt an.

„Du bist, was du isst“ bekommt somit eine ganz neue Bedeutung! Pflanzen können also auf einer wesentlich essentielleren Ebene wirken, als bisher angenommen – auf der Ebene der Beeinflussung unseres Erbguts, beziehungsweise der Art und Weise wie dieses sich auf unsere Gesundheit auswirkt.

Damit wird vielleicht auch der Wirkmechanismus von Pflanzen verständlich, deren Wirkung wir bisher keinem der bekannten bioaktiven Substanzen zuordnen können. Genauso wie die Wirkung der Pflanzendekokte der traditionellen chinesischen Medizin. Diese werden oft so lange gekocht, dass man meinen sollte, dass kaum mehr wirksame Inhaltsstoffe vorhanden sein können. Auf der Ebene der Mikro-RNA allerdings könnte man spekulieren, wird diese vielleicht gerade dadurch dem Organismus besser zugänglich?

Mikro-RNA und Gentechnik

Auch bezüglich der modernen Biotechnologie wirft die Entdeckung der chinesischen Forscher ganz neue Fragen auf. Was bedeutet es für uns Menschen, wenn genetisches Material von gentechnisch veränderten Pflanzen, entgegen bisheriger Annahmen, tatsächlich die Magen-Darm-Schranke überwinden kann?

Wer noch mehr wissen möchte, dem sei der Beitrag vom Heidi Mühlenberg im MDR empfohlen (33 Minuten):

http://www.mdr.de/home/sendung667552_zc-502e5181_zs-48c98c3d.html

Und vielen Dank an die Forschergruppe Klostermedizin, für die immer wieder spannenden und informativen Beiträge!