Eine Tinktur aus Heilpflanzen selbst herstellen

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Tinkturen selbst herstellen, die einfachste Sache der Welt? Wenn man weiß wie, ja.

Recherchiert man in Büchern oder im Internet, findet man eigentlich immer das Gleiche: Besorge dir einen hochprozentigen Schnaps aus dem Supermarkt, gebe die kleingeschnittenen Pflanzen hinein und lasse das Ganze 3 Wochen stehen.

Prinzipiell stimmt das schon, aber je nachdem um welche Inhaltsstoffe es geht, kann das auch insofern danebengehen, dass die Tinktur nicht die gewünschte Wirkung hat, weil gar keine, oder zuwenig Inhaltsstoffe gelöst werden. Und auch das mit den 3 Wochen, womöglich noch in der Sonne stehend, ist so eine Sache…

Wie ich halt so gestrickt bin, wollte ich es genauer wissen – und bin auch fündig geworden.

Was ist eine Tinktur?

In der Phytotherapie gibt es verschiedene Möglichkeiten Heilpflanzen für die Anwendung aufzubereiten und ihre Wirkstoffe für den Körper verfügbar zu machen. Um Inhaltsstoffe aus den Pflanzenteilen herauszulösen, können je nach Anwendung und Art der Inhaltsstoffe Wasser, Alkohol oder Fette(Öle) verwendet werden. Im klassischen Tee oder Infus lösen wir die Inhaltsstoffe zum Beispiel mit heißem Wasser.

In einer Tinktur werden die Inhaltsstoffe durch ein Wasser-Alkohol-Gemisch aus den Pflanzen gelöst. Die Tinktur hat den Vorteil, dass hier die Inhaltsstoffe hoch konzentriert sind und durch den Alkohl außerdem einige Zeit haltbar gemacht werden können.

Was bestimmt die Qualität und den Wirkstoffgehalt einer Tinktur?

  1. Die Konzentration der Extraktionsflüssigkeit
  2. Das Mischungsverhältnis von Lösungsmittel und Pflanzendroge
  3. Der Zerkleinerungsgrad der Pflanzenteile
  4. Die Dauer der Extraktion
  5. Die Temperatur

Die Löslichkeit von Wirkstoffen in verschiedenen Alkoholkonzentrationen

Es gibt Inhaltsstoffe, die sich besser in Wasser, beziehungsweise besser in Alkohol lösen lassen. Kauft man also einen Korn im Supermarkt wie das oft empfohlen wird, hat dieser ca. 38-42% Alkohl- und entprechend 62-58% Wasseranteil.  Das löst viele Stoffe gut, aber eben nicht alle.

Ich ziehe es deshalb vor, mir mein Alkohol-Wasser-Gemisch je nach Bedarf selbt zu mixen. Wie das genau funktioniert, beschreibe ich später noch.

Bevor man also eine Tinktur ansetzt, sollte man sich klarmachen, welche Inhaltsstoffe für die erwünschte Wirkung wichtig sind und sich dann das passende Mischungsverhältnis herstellen. Wie man hier sieht, deckt der handelsübliche Korn eventuell die Lösung von Schleimen, Zucker, Saponinen, Salicylsäure, Gerbstoffen, Ätherischen Ölen und Harzen nicht, oder nicht optimal ab.

Schleime/Zucker0 – 30%
Rosenblüten25%
Saponine/Salicylsäure0 – 40%
Glykoside0 – 45%
Bitterstoffe/Alkaloide0 – 50%
Scharfstoffe/ Cumarine35 – 50%
Flavonoide40 – 55%
Gerbstoffe40 – 60%
Ätherische Öle50 – 70%
Harze96%

Wie stellt man das richtige Mischungsverhältnis her?

Dazu braucht man reines, unvergälltes Ethanol und destilliertes Wasser. Reines Ethanol hat in der Regel 96% Alkohol.

Möchte man daraus nun zum Beispiel 60%-igen Alkohl machen, mischt man 60 Teile Alkohol mit 36 Teilen (96-60) destilliertem Wasser.

Hat man als Ausgangsstoff ein Ethanol mit einem anderen Prozentsatz, ersetzt man einfach die die 96 mit dem anderen Wert, dann funktioniert es auch wieder.

Das weitere Vorgehen

In der Regel mischt man die gut zerkleinerten Pflanzenteile mit der gewünschten Wasser-Alkohol-Mischung im Verhältnis 1:5, bei getrockneten Pflanzen oder 1:3 bei frischen Pflanzen. Je nach gewünschter Wirkstärke kann es bei einzelnen Pflanzen aber auch gegebenenfalls anders sein und das sollte in einem guten, vertrauenswürdigen Rezept dann auch jeweils angegeben sein. Ist nichts speziell angegeben, benutzt man einfach das 1:5/1:3 Standardverhältnis.

Je feiner man die Pflanzenteile zerkleinert, desto leichter können die Inhaltsstoffe vom Lösungsmittel extrahiert werden. Genauso wie die Temperatur wirkt sich das maßgeblich auf die Dauer der Extraktion aus. Je kleiner die Teile und je wärmer der Ansatz steht, desto kürzer kann/muss die Extraktionsdauer sein. Das macht sich zum Beispiel die sogenannte Turboextraktion zu nutze, die ich weiter unten beschreibe. Das hört sich kompliziert an und wenn man es mit der maximalen Ausbeute an Inhaltsstoffen 150%ig richtig machen wollte, bräuchte man ein Labor…

Doch wie jahrhundertelange Erfahrung in der Pflanzenheilkunde zeigt, geht es auch so. Für den Hausgebrauch kann man nun folgendermaßen vorgehen: Man zerkleinert die Pflanzenteile so gut wie jeweils möglich mit einem Messer oder durch Reiben zwischen den Händen bei getrockneten Pflanzen. Dann übergießt man die sie mit dem Lösungsmittel und lässt den Ansatz an einem warmen Ort, bei etwa 25° C, 5-7 Tage reifen. Das liefert in den allermeisten Fällen ein ausreichend gutes Ergebnis.

In den meisten traditionellen Quellen werden viel längere Auszugszeiten von mehreren Wochen angegeben. Man dachte damals: je länger, desto besser und hatte keine Möglichkeit das genau zu überprüfen. Moderne Studien haben allerdings ergeben, dass sich relativ schnell ein Konzentrationsgleichgewicht zwischen Pflanzenmaterial und umgebendem Lösemittel einstellt.Dann können keine weiteren Inhaltsstoffe aus der Pflanze mehr gelöst werden und es setzten eher oxidative und enzymatische Abbauprozesse ein. Das heißt: Die Tinktur wird nicht mehr besser, sondern schlechter. Aus diesem Grund ist es auch wichtig den Ansatz mehrmals täglich zu bewegen. Dadurch kommen die Oberflächen des Pflanzenmaterials immer wieder mit frischem Lösungsmittel in Kontakt und der Auszugsprozess kann sich fortsetzen. Ist der Ansatz fertig, werden die Pflanzenteile abfiltriert und die fertige Tinktur in dunkle Glasflaschen abgefüllt und beschriftet. Ich notiere dabei die Alkoholkonzentration, das Abfülldatum und den Pflanzennamen.

Die meisten Pflanzeninhaltsstoffe reagieren sensibel auf UV-Licht, deshalb sollte man die Tinktur zum Reifen zwar warm, aber niemals direkt in die Sonne stellen. Dunkle Gläser könnnen zusätzlich schützen. Auch zur Aufbewahrung der fertigen Tinktur empfiehlt sich ein eher dunkler, kühler Ort.

Frische oder getrocknete Pflanzen?

Per Definition werden Tinkturen eigentlich immer aus getrockneten Pflanzen hergestellt. Tinkturen aus Frischpflanzen werden korrekt Frischpflanzenauszüge genannt. Beides hat seine Vor- und Nachteile:

Getrocknete Pflanzendrogen sind praktisch immer verfügbar, Frischpflanzen nur zu bestimmten Jahreszeiten.

Der Vorteil von Auszügen aus getrockneten Pflanzen ist außerdem, dass sie selbst kaum noch Wasser enthalten. Damit kann ich meine Alkoholkonzentration im Auszugsmittel sehr genau und sicher kalkulieren und damit welche Stoffe ich bevorzugt ausziehen möchte.

Frischpflanzen dagegen enthalten je nach Pflanze und verwendetem Pflanzenteil unterschiedlich viel Wasser, das dann ganz praktisch unsere gut gewählte Alkoholkonzentration verdünnt und möglicherweise unsere Bemühung um die „richtige“ Konzentration, um zum Beispiel ätherische Öle auszuziehen, zunichte machen kann. Leider habe ich auch bisher keine Tabellen gefunden, welche Pflanzen und Pflanezenteile in frischem Zustand wieviel Wasser enthalten. Wenn wir es genau nehmen bewegen wir uns dann damit auf etwas unsicherem Boden, was das Ergebnis unserer Bemühungen betrifft.

Der Vorteil von Frischpflanzen ist aber, dass sie noch alle Inhaltsstoffe in unveränderter Form und Menge enthalten und gefühlt auch einfach lebendiger sind. Jede Art von Lagerung führt zu Umbau- und Abbauprozessen und mit Sicherheit gehen bei der Trocknung Inhaltsstoffe verloren, sowohl quantitativ als auch qualitativ.

Einen Unterschied machen auch die unterschiedlichen verwendeten Pflanzenteile. Aus Blüten und Blättern geht in der Regel mehr verloren, als aus Wurzeln, die ja an sich schon ein Speicherorgan der Pflanze sind.

Die verschiedenen Inhaltsstoffe, die die Heilwirkung der einzelnen Pflanzen ausmachen, wie Flavonoide, Gerbstoffe, Saponine, Phenole, Glykoside oder ätherische Öle weisen ebenfalls unterschiedliche Stabilität auf. Leider konnte ich bisher dazu nicht viel finden. Wer hierzu mehr Informationen hat, schreibt mir gerne eine Mail, ich wäre sehr interessiert. Rein logisch kann man aber vermuten, dass Flavonoide anfälliger für Um- und Abbauprozesse sind, als zum Beispiel Bitterstoffe. Flavonoide sind Farbstoffe, oft mit antioxidativer Kapazität, und man sieht zum Beispiel mit bloßem Auge, dass die Intensität der Farben beim Trocknungsprozess massiv nachlässt – und vor allem bei längerer Lagerung oder unter Einwirkung von oxidativem Stress, wie Sonnenlicht. Auch ätherische Öle, verflüchtigen sich mit der Zeit, während Stoffe wie Kieselsäure oder Saponine und Schleimstoffe eher relativ stabil sind. Kein Wunder also, dass flavonoidreiche Pflanzen, wie Ringelblume oder Johanniskraut traditionell eher frisch verarbeitet werden.

All das, kann man also bedenken, wenn es darum geht, ob man Pflanzen frisch oder getrocknet verarbeiten möchte.

Die Turboextraktion

Dies ist ein relativ neues Verfahren, das ein wenig technisches Gerät erfordert und traditionell also gar nicht möglich war. Es bringt sehr gute Ergebnisse, die den traditionellen Verfahren mindestens ebenbürtig oder sogar überlegen sind.

Dazu zerkleinert man die frischen Pflanzenteile mit einem Messer oder zerreibt die getrockneten in der Tüte oder mit den Fingern. Dann mischt man das Pflanzenmaterial, wie oben beschrieben mit dem entsprechenden Alkohol-Wasser-Gemisch im Verhältnis 1:5 beziehungsweise 1:3. Der Ansatz wird dann mit einem haushaltsüblichen Stabmixer 5-10 Minuten gemixt. Dabei stellt man das Glas in ein kaltes Wasserbad, so dass sich der Ansatz nicht zu sehr erhitzt.

Das Ergebnis ist in den meisten Fällen intensiver als das gewöhnliche wochenlange Ausziehen. Eine starke Zerkleinerung des Materials, das Aufbrechen der Zellwände durch das Schneidwerkzeug und das intensive Verwirbeln reduziert die Extraktionszeit immens. Die Pflanzenteile werden intensiv vom Lösungsmittel umspült, kommen permanent in Kontakt mit frischem ungesättigtem Lösungsmittel und geben so ihre Inhaltsstoffe sehr viel schneller frei.

»Durch das intesive Wirbeln der Extraktionsflüssigkeit und der Droge werden die Lösungs- und Diffusionsvorgänge exttem beschleunigt, so dass eine Extraktionszeit von 5–10 min ausreicht. […]. Die Turboextraktion liefert Auszüge, die den nach den Mazerations- oder Perkolationsverfahren hergestellten Auszügen vergleichbar oder sogar höherwertiger sind.«, (»Pharmazeutische Technologie« von Rudolf Voigt)

Da die Auszüge viele Schwebstoffe enthalten, lässt man die Tinktur etwa 24 Stunden stehen, bis sich dies am Boden abgesetzt haben. Wenn man dann zuerst den klaren Teil durch den Filter gießt und den Teil mit den Schwebstoffen später, setzt sich der Filter nicht so schnell zu. Für Kosmetikprodukte sollte man mit einer Glasfilternutsche arbeiten, die noch intensiver filtriert, als ein normales Filterpapier, da die kleinsten Schwebstoffe die Haltbarkeit beeinträchtigen.

Quellen:

Christian Sollmann, Pflanzliche Urtinkturen und homöopathische Heilmittel selbst herstellen, AT-Verlag

Olionatura, Heike Käser: Wässrig-alkoholische Pflanzenauszüge herstellen

Weitere Grundlagen

24 Antworten

  1. Möchte eine Tinktur mit Artemisia annua herstellen. Leider haben sich schon die Samen gebildet, ist die ganze Heilwirkung trotzdem noch vorhanden?

  2. Hallo,
    habe eine 69% Urtinktur für meinen 12 jährigen Hund. Habe 2/3 verdampfen lassen und kann ich nun mit Mineralwasser auffüllen daimit der Wirkstoffanteil pro Tropfen wieder stimmt?

    1. Schwierig zu sagen, ob da auch anderes mitverdampft ist. Sofern ätherische Öle im Wirkspektrum dabei waren, auf jeden Fall.
      Theoretisch kannst du es versuchen. Aber nimm normales abgekochtes Wasser, kein Mineralwasser.

    1. Ja, klar. In der Regel macht man Tinkturen mit getrockneten Kräutern. 1:5, also 5 Teile Alkohol auf 1 Teil Pflanzenmaterial. Bei frischen Kräutern ist das Verhältnis anders. Normalerweise 1:2, da sie ja selbst noch viel Wasser enthalten.

      1. Wow, danke für diesen tollen ausführlichen Beitrag, denn auch ich suche mir all diese Infos gerade mühsam zusammen und bin total dankbar, dass das bereits vor mir jemand gemacht und zusammengestellt hat! Vielen herzlichen Dank!

  3. Hallo, kann man gleichermaßen frische oder getrocknete Kräuter verwenden? Z.B. bei Artemisia annua Tinktur? Da gibt es widersprüchliche Infos …. Danke für eine Antwort!

  4. Alles gut und schön, aber wo bekommt man 96% reines, unvergälltes Ethanol? Ich habe gesucht und für medizinische Zwecke (innerliche Anwendung) nichts gefunden. Nur für äußerliche Anwendungen. Wäre sehr dankbar für eine Antwort.

      1. Wenn ich einen Pflanzenauszug aus 96%igen Alkohol herstelle, kann bzw muss ich die Tinktur danach verdünnen, um sie innerlich einzunehmen? Und kann ich auch Quellwasser dazu verwenden?

        1. Hallo Rafaela,
          es macht keinen Sinn eine Tiktur aus 96% Alkohol herzustellen, außer du möchtest Harze lösen. Du würdest also in den meisten Fällen, je nach Inhaltsstoff den Alkohol vorher verdünnen.Willst du wirklich eine Tinktur aus Harzen herstellen, dann musst du sie vor der Einnahme verdünnen, denn so hochprozentigen Alkohol kann man nicht einnehmen. Das fängt schon bei 50% an heftig zu werden…
          Man gibt dann einfach die gewünschte Tropenanzahl in ein kleines Glas mit Wasser.

      1. Findet man hier auch, ob im Supermarkt, weiß ich nicht, da bin ich so selten ;-). Das Problem ist, dass dieser Alkohol in der Regel vergällt ist, damit man ihn nicht trinken kann. Zur Herstellung von Tinkturen braucht man aber unvergällten Alkohohl und den gibt es eigentlich in dieser Konzentration nur im Fachhandel.

  5. Guten Abend
    Ich habe heute Urtinktur angesetzt, habe „im Hitze des Gefechts “ Hahnenwasser statt Destillisierteswasser verwendet
    Geht das trotzdem??
    Vielen Dank für Ihre Antwort.

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