Heute ist Sonnwendnacht, es ist die kürzeste Nacht des Jahres. Morgen um 0:34 Uhr tritt die Sonne in das Tierkreiszeichen Krebs. Gleichzeitig ist heute um 13:02 Vollmond. Schon die Wintersonnwende und die Tag- und Nachtgleiche korrespondierten mit dem Vollmond in Bereich von wenigen Tagen Unterschied. Zur Sommersonnwende ist es nun ganz exakt. Es dürfte also intensiv werden, auf die eine oder andere Art. Ich spüre das und der/die Eine oder Andere von euch vielleicht auch.
Beide Sonnwenden sind sensible Phasen im Jahr, wie schon der Name sagt, wendet sich hier etwas. Auf der physischen Ebene der Lauf der Sonne, aber auch energetisch kehrt sich die Richtung um.
Was zur Wintersonnwende an Ideen und Visionen sich noch fast unbemerkt im Inneren formte, ist gereift und erblüht, bewusst und sichtbar geworden. Alle Vorbereitungen sind getroffen. Man hat im Idealfall seine Ziele genährt und gepflegt und jetzt ist es Zeit sie loszulassen, sie dem Strom des Lebens zu übergeben, damit sie sich vollends verwirklichen können. Wie ein Ball, dem man seine Kraft mitgibt, wenn man ihn in die Höhe wirft, am höchsten Punkt kehrt er um und fällt von alleine auf die Erde zurück. Ab jetzt kann die Kraft, die man im Frühjahr investiert hat um etwas auf den Weg zu bringen, wieder in Form von konkreten Ergebnissen zu einem zurückkehren.
Die Sommersonnwende ist energetisch der Höhepunkt des Sommers. Die größte Entfaltung von Kraft. Alles was das Leben zu bieten hat ist nun an seinem Höhepunkt. Alle Potentiale haben sich nach Außen entfaltet, sind offen-sichtlich geworden.
Wendezeit
Doch was wächst, wird auch vergehen. Wenn das Yang sich in der Manifestation erschöpft hat, kehrt sich die Kraft um und strömt zurück in die Verinnerlichung. Noch kaum merklich, aber je weiter die Zeit fortschreitet umso offensichtlicher wächst das Yin, bis es zur Herbst-Tag- und Nachtgleiche dann wieder die Herrschaft übernimmt.
Rituale und Zeremonien, sowie ihre volkstümliche Versionen der Bräuche sind entstanden um das Bewusstsein an diesen sensiblen Punkten des Jahres zu fokussieren und die starken Kräfte der Zeitqualität zu kanalisieren, denn die Sommersonnwende ist auch die Zeit der höchsten Spannung im Jahr. Entlädt sie sich unkontrolliert kann es zu Missgeschicken kommen. Deshalb galt sie oft auch als Unglückstag und als Tag der Hexen und Dämonen.
Spannung ist notwendig, so wie man den Bogen spannen muss, damit der Pfeil das Ziel trifft. Sie ist das Potential in der Kraft der Verwirklichung. Deshalb ist die Sommersonnwende auch die Zeit der Magie, des Zauberns, der Wünsche und ihrer Verwirklichung. Magie kommt von „Imagination“. Damit sich eine I-magi(e)-nation, ein Vorstellungsbild verwirklichen kann, muss Kraft fokussiert, Spannung aufgebaut werden. Dies kann durch ein Ritual oder eine Zeremonie oder schlicht über einen Wunsch geschehen, der stark genug ist.
Zeit der großen Gefühle
Astrologisch wechselt die Sonne an der Sommersonnwende vom Zeichen Zwilling, das vor allem mental geprägt ist, ins Zeichen Krebs. Krebs ist das Kardinalzeichen des Elements Wasser. Krebs ist das vielleicht subjektivste und gefühlsbetonteste Zeichen des Tierkreises. Nach einer alten kabbalistischen Zuordnung der Tarotkarten zu den Dekaden des Tierkreises wechseln wir außerdem von der Qualität der 10 Schwerter zu den 2 Kelchen: vom Herrn des Ruins zum Herrn der Liebe.
Interessanterweise spiegelt sich auch dies im Volksglauben: die Sonnwendnacht gilt als die Nacht der Liebenden und prädestiniert für Liebesorakel…
Und so ist die Sommersonnwende auch eine Zeit der Gefühle und Emotionen. Einen sehr treffenden Text dazu, und zum Umgang mit Emotionen, von Doris Zölls, einer der spirituellen Leiterinnen des Benediktushofs, findet ihr hier>>
Wirklich sehr lesenswert!
Mythologie
Ein gutes Beispiel dafür, wie unsere Vorfahren die Kreisläufe der Natur in ihrer Mythologie und Poesie verarbeiteten ist die Geschichte von Baldur und seinem Bruder Hödur in der Edda:
Zur Sommersonnwende befindet sich die Sonne (Baldr) auf ihrem Höhepunkt, um dann zu sterben und während des Winters ihre Unterweltfahrt anzutreten, da ab jetzt die Tage ja wieder kürzer werden. Doch Baldr (die Sonne) kehrt wieder, wie es in der Wöluspa heißt: „Da werden unbesäht die Äcker tragen, Baldur kehrt wieder…“ Zur Herbsttag- und Nachtgleiche sinkt Baldr in die Unterwelt der Hel. In Gylfaginning (Kap.49) ist beschrieben, wie Baldr (die Sonne) von seinem blinden Bruder Hödr (die Dunkelheit) mit dem Mistelzweig (die Mondsichel) unter Lokis Mitwirkung getötet wird (die Bahn des Mondes wird jetzt im Gegensatz zu der der Sonne wieder länger).
Das Wetter
Sonnwend ist außerdem ein Lostag das heißt man orakelte, was die Zukunft bringen wird. Man glaubte, zum Beispiel, dass das, was man in dieser Nacht träumt, wahr wird.
Und auch für das Wetter ist die Sommersonnwende, oder Johanni, ein wichtiger Tag. Man sagt, wenn sich das Wetter an Johanni nicht ändert, ändert es sich nimmermehr. Oder: Regnet’s an Johanni, regnets 40 Tage lang. Und: Hat man vor Johanni keinen Regen, hat man ihn danach.
Hoffen wir also, dass es an Johanni erstens nicht regnet und zweitens sich das Wetter hoffentlich dann ändert. Denn genug Regen hatten wir jetzt wirklich…